Geschichte

Das Thema „Tarifverträge“ für die Beschäftigten der Technischen Überwachung zieht sich wie ein roter Faden durch die fast 50-jährige Geschichte der btü. Die Technischen Überwachungs-Vereine (TÜV) waren früher tatsächlich eingetragene Vereine (e.V.) mit keinem auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichteten Betrieb und standen dem öffentlichen Dienst sehr nahe. 1973 hatte die Gewerkschaft ÖTV (Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr) mit der Tarifgemeinschaft der TÜVs einen Tarifvertrag abgeschlossen. Dieser stieß bei der Belegschaft des TÜV Bayern auf heftigen Widerstand, was zur Gründung der btü führte.

Die „btü ist verpflichtet, Tarifvertragsbestrebungen jeglicher Art zu verhindern“, hieß es beim 1. Delegiertentag der btü  im März 1974. Die btü wollte günstigere Regelungen fortführen und ausbauen in Anlehnung an das für die Bayerischen Beamten geltende Recht durch Betriebsvereinbarungen zwischen Geschäftsführung des TÜV Bayern e.V. und dem Gesamtbetriebsrat (GBR). Stütze des GBR war dabei die rasch wachsende Organisation btü. Aber genau besehen ging es damals nicht grundsätzlich gegen das Instru­ment „Tarifvertrag“, sondern gegen eine Verschlechterung der Sozialvereinbarungen durch einen Tarifvertrag mit einer etablierten, aber betriebsfremden Gewerkschaft. Dieser erfolgreiche bayerische Weg mit dem „Blauen Buch“ des TÜV Bayern bewährte sich im Einflussbereich der btü zwanzig Jahre lang.

Doch „tempora mutantur“ (Zeiten ändern sich): In den 1980er Jahren wurde das „alte TÜV-Prinzip“ (regionale TÜVs in einer Monopolstellung) angegriffen: Die Schlagworte „Liberalisierung“ und „Deregulierung“ wirkten: Es gab erste TÜV-Konkurrenzen, ein Nachdenken über die Organisationsform als e.V. und eine stärkere Ausrichtung im Sinne „Kundenorientierung“. 1988 wurde mit der Gründung der TÜV Bayern Holding GmbH die Möglichkeit eröffnet, unter einem „Dach“ (Holding) verschiedene operative Firmen zu gründen und durch Fusionen oder Hinzukäufe zu einem vielgestaltigen Konzern mit einem auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichteten Betrieb auszubauen. Nach dem Fall der Mauer war weitere Dynamik angesagt: 1992 kam es zum fusionierten TÜV Bayern Sachsen e.V. 1994 wurde die TÜV Bayern Holding GmbH (als Dach der „Unternehmensgruppe TÜV Bayern“) in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Ab 1994 wurden Bereiche aus dem TÜV e.V. in z.T. neu gegründete GmbHs ausgegliedert, 1996 schließlich alle Mitarbeiter des TÜV Bayern Sachsen e.V., die keine „hoheitliche Aufgaben“ als Sachverständige ausübten. 1996 entstand durch eine weitere Fusion als „TÜV Bayern Hessen Sachsen Südwest e.V.“ ein Konzern (heute TÜV SÜD) mit Holding AG und operativen GmbHs: Die Anzahl der Beschäftigten in der „Unternehmensgruppe“ war innerhalb weniger Jahre vervielfacht; die Anzahl und Vielfalt der GmbHs stiegen ziemlich rasch, später wurde sie deutlich klarer strukturiert.

Zu diesen Änderungen schien das „Blaue Buch“ nicht mehr zu passen. 1994 wurden die Betriebsvereinbarungen des „Blauen Buches“ von Arbeitgeberseite gekündigt; auf Betreiben des GBR und der btü wurde die Kündigung wieder zurückgenommen. Die Geschäftsführung des Konzerns hatte eine „Gehaltsordnung für neu eintretende Mitarbeiter“ erarbeiten lassen, die in den GmbHs schon angewendet und über die an vielen Stellen verhandelt wurde. Es gab neue Gehaltssysteme, teils nur für neu Eintretende, teils flächendeckend für alle in der jeweiligen Firma. Die Ausgliederungen der vormaligen TÜV e.V.-Mitarbeiter(innen) in GmbHs und die neuen „Gehaltsordnungen“ verunsicherten die Belegschaft stark.

Die btü als Belegschaftsvertretung musste reagieren: Logisch war der Schluss: Mit dem Status einer Gewerkschaft könnte btü im Sinne des Tarifvertragsgesetzes Regelungen für den gesamten Konzern aus-handeln. Mit der Satzungsänderung 1995 war die btü „Gewerkschaft der Bediensteten der Technischen Überwachung“ und lehnte sich an die damalige GGVöD im Deutschen Beamtenbund (heute dbb-Beamtenbund und Tarifunion) an. Die Fu­sion von 1996 brachte die ÖTV ins Spiel, da der vormalige TÜV Südwest als Mitglied der TÜV-Tarifgemeinschaft ÖTV-Tarifverträge hatte. Da die Vorzeichen auf Abschluss eines Tarifvertrages im Konzern hindeuteten, richtete die btü eine Tarifkommission ein und forderte die Konzernspitze zu Tarifverhandlungen auf, die Ende 1997 kurz vor dem Beginn standen. Die btü hatte damit eine Kehrtwende gegenüber der Gründung vollzogen: Tarifverträge „zur Regelung der sozialen Bedingungen der Beschäftigten“ beim TÜV wurden als „zwingend erforderlich“ angesehen.

Auf einem „Nebenkriegsschauplatz“ waren aber btü und ÖTV im Konflikt: Durch gerichtliche Bestellung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Holding AG waren btü-Leute als Gewerkschaftsvertreter benannt. ÖTV reichte daraufhin eine Feststellungsklage zur Klärung des Gewerkschaftsstatus der btü ein. Im Februar 1998 entschied das Arbeitsgericht München und im Oktober 1998 das Landesarbeitsgericht, dass die btü keine tariffähige Gewerkschaft sei. Das daraufhin angerufene Bundes-Arbeitsgericht (BAG) bestätigte im Juni 2000 diese Entscheidung endgültig.

Zwischen 1997 und 2000 liefen zwischen ÖTV und dem „TÜV Süddeutschland“ lange, intensive Tarifverhandlungen, über deren Verlauf btü diverse Informationen erhielt. Um Einfluss nehmen zu können, beschloss ein ao. Delegiertentag im November 1999, aufgrund der gemeinsamen Arbeitnehmerinteressen und unter der Voraussetzung jeweils aktueller Informationen auf die ÖTV einzuwirken. Die praktische Realisierung dieses Beschlusses machte uns die ÖTV freilich schwer. Im September 2000 lagen die „Tarifverträge der Unternehmensgruppe TÜV Süddeutschland“ vor; dabei war sehr wesentlich, dass alle Arbeitnehmer, die nicht an den Tarifvertrag gebunden waren, ihre alten Regelungen weiter behalten konnten; d.h. ein Tarifbeitritt war für diese freiwillig. Der ao. Delegiertentag im Nov. 2000 beschloss, „auf die Verbesserung der sozialen Bedingungen“ weiter hinzuwirken und „Hilfestellung bei der Auslegung und Anwendung des Tarifvertrages“, insbesondere in der Frage eines Tarifbeitritts zu geben. Zu Letzterem wurde betont: Die „btü darf nicht nur Sammelbecken für unzufriedene Tarifvertrags-Verweigerer sein“. Eine intensivere Zusammenarbeit mit ÖTV wurde damals eindeutig abgelehnt. Per erneuter Satzungsänderung wurde die btü statt „Gewerkschaft“ wieder eine „Vereinigung“.

In den Folgejahren war es eine wichtige Aufgabe, unsere Mitglieder, die ursprünglich fast alle keine Tarifbindung hatten, bezüglich eines Tarifbeitritts zu beraten. 2001 hatte die btü noch ein Gutachten anfertigen lassen, um die Rechtssicherheit der neben dem Tarifvertrag weitergeführten Regelungen zu klären. Die im Gutachten dargelegte Rechtsauffassung wurde nie durch eine gerichtliche Entscheidung in Frage gestellt.

Daneben blieb es selbstverständlich unsere Hauptaufgabe, Probleme mit dem Tarifvertragswerk kritisch zu begleiten. Auf Schwierigkeiten z.B. mit der Arbeitszeitflexibili­sierung oder im Leistungstarifvertrag oder auch auf die zu geringe Anzahl der Stufen (3. Stufe!) im Vergütungstarifvertrag hatten wir schon frühzeitig hingewiesen.

Eine betriebliche Altersversorgung für die Neubeschäftigten hatten wir 2003 in guter Weise mit hineingebracht. Von 2005 bis 2011 mussten wir immer wieder schleppende Tarifverhandlungen kritisieren, die Kritik traf selbstverständlich beide Seiten. Über einen längeren Zeitraum waren bis zu fünf Tarifverträge gekündigt; erst 2008 wurde wegen der damaligen Fusionsabsicht mit dem TÜV Rheinland alles wieder (im alten Stand) voll rechtskräftig. Die „Gehaltsrunden“ kamen zumeist erst nach dem „Zieldatum“ zum Abschluss, mehrmals erst durch einen „Anschub“ mittels eines btü-Flugblattes. In all den Jahren (ÖTV war durch Gewerkschaftsfusion inzwischen zur großen ver.di geworden) tat sich die etablierte Gewerkschaft schwer, uns mitreden zu lassen. Als „Ideenlieferant“ und „Verstärkung“ hätte man uns gerne genommen. So blieben viele Initiativen stecken.

Angesichts der über Jahre hinweg schwierigen Tarifgespräche fand auf Initiative der Arbeitgeberseite 2012 eine Mediation mit ver.di statt, offenbar erfolgreich. Die rasche und passable Einigung der „Gehaltsrunde 2012/13“ lässt hoffen. Es „hängen“ aber noch genügend Probleme, wie eine Verbesserung des Tarifvertrags Betriebliche Altersversorgung, eine Altersteilzeitregelung, Fragen der Arbeitszeit (-Flexibilisierung) sowie bei der Leistungsbewertung: Es gibt also noch viel zu verhandeln, wir helfen da gerne nach. Denn unterm Strich: Wir als btü fühlten uns gerade in den schwierigen letzten 20 Jah­ren unseres Bestehens immer als „Stimme der Belegschaft“ dem Wohl der Beschäftigten in der Technischen Überwachung verpflichtet, auch wenn uns als Organisation der Wind heftig ins Gesicht blies.

Seit kurzem haben sich unter dem Stichwort „Tarifpluralität“ durch höchstrichterliche Rechtsprechung neue Möglichkeiten aufgetan. Im gleichen Unternehmen bzw. Betrieb können sogar unterschiedliche (von konkurrierenden Gewerkschaften abgeschlossene) Tarifverträge zur Anwendung kommen. Gleichzeitig sind die Kriterien für den Gewerkschaftsstatus erfüllbar. Deshalb hat sich die btü entschlossen den Gewerkschaftsstatus anzunehmen. Die Zukunft bleibt spannend, unsere Zielrichtung klar.